Die Bundesregierung hat die Gas-Alarmstufe ausgerufen. Grund für diesen Schritt sind die seit Mitte Juni reduzierten Gaslieferungen aus Russland bei anhaltend hohen Gaspreisen. Aktuell soll die Gasversorgung in Deutschland noch gesichert sein, doch der Blick auf den Herbst und Winter bereitet Sorgen. Die Energieversorgung beschäftigt und verunsichert die Menschen seit Wochen. Eine Alternative zum Gas und zur Abhängigkeit wäre Kernenergie. Franz Jacobs, Leipziger Geophysik-Professor im Ruhestand, erklärt im Interview mit den Stadtwerken Eilenburg, warum Kernenergie in Zukunft die optimale Lösung aller Versorgungsprobleme wäre.
Kernenergie ist umstritten. Sie bezeichnen Kernenergie aber als umweltfreundliche Energie der Zukunft. Das müssen Sie uns erklären.
Kernenergie ist eine umweltfreundliche Energie der Zukunft, wenn sie richtig genutzt wird. Ich glaube fest daran, dass Kernkraftwerke in ein, zwei Generationen sicher und grün sind. Wir müssen in die Forschung investieren und Kernenergie schaffen. Es ist in Zukunft die Energie, die wir brauchen und sie ist nicht umweltschädlich, weil sie ohne Nutzung von fossilen Brennstoffen und Erzen auskommt und kein CO2 erzeugt. Es wirken also keine Treibhausgase.
Kernkraftwerke haben nicht nur wegen den beiden Unglücken 1986 in Tschernobyl und 2011 in einen schlechten Ruf...
Die modernen Kernkraftwerke werden die veralteten AKWs von heute ablösen. Die Zukunft sind nicht die, die dastehen, sondern die, die gebaut werden. Beide Unglücke hätten zudem vermieden werden können. Tschernobyl war eine Folge einer Falschbedienung, in Fukushima war das Kraftwerk viel zu nah am Wasser gebaut.
Was wird sich aus Ihrer Sicht konkret ändern?
Die neuen Kernreaktoren sind miniaturisiert. Sie werden viel kleiner sein. Es gibt schon heute Atomeisbrecher, die auf dem Weltmeer fahren, und mit einem Kernreaktor ausgestattet sind. Sie nutzen schon Kernenergie, nur eben im kleinen Stil. Es zeigt uns aber, dass es funktioniert.
Kernkraftwerke bergen immer die Gefahr der radioaktiven Strahlung...
Als vor über 100 Jahre das Röntgen entdeckt wurde, sind reihenweise Ärzte und Schwestern gestorben. Das war der Beginn. Heute ist Röntgen ein Segen für die Medizin und Menschheit. Auch die Kernkraftwerke werden eines Tages ein Segen sein. Nicht sofort, aber in ein paar Generationen. Ich denke mit meinen Visionen einfach nur voraus.
Wie könnte ein sicheres Kernkraftwerk aussehen?
Ich hatte ein Schlüsselerlebnis bei BMW. Dort bringen Lkw díe Materialen auf der einen Seite ins Werk und auf der anderen Seite fahren fertige Autos wieder heraus. Das zusammenbauen übernehmen Maschinen, Menschen überwachen nur. So kann es bei einem Kernkraftwerk auch funktionieren. Sie arbeiten mit vollautomatischer Robotertechnik bevorzugt untertägig in Bergwerken. Wir schicken die radioaktiven Rückstände so gar nicht erst nach oben. Das wäre zum einen eine zusätzliche Sicherheit. Zum anderen sollten wir die Wärme, die erzeugt wird, nutzen und die Geothermalkraft mit einbauen. Heißt einfach gesagt: Kaltes Wasser rein, heißes Wasser raus. Neben der Stromerzeugung wäre so auch gleich die Erdwärme genutzt.
Das heißt also, die radioaktiven Rückstände wären Wertstoffe und könnten als Energiequelle dienen?
In radioaktiven Stoffen steckt viel Energie, die wir nutzen sollten. In der Medizin werden Menschen mit Bestrahlung geheilt oder Schmerzen gelindert. Der Anfang ist gemacht, jetzt müssen wir das in der Energieindustrie einsetzen.
Als der Vorschlag der Co2-Speicherung in der Erde kam, gab es große Proteste. Können Sie das verstehen?
Nein! Wirtschaftsminister Habeck redet aktuell von Gasspeichern in der Tiefe. Das Gas soll 1.000 Meter tief gelagert werden. Keiner protestiert dagegen. Das ist ein Zeichen, dass die Menschen, die gegen Speicherung von Ressourcen in der Tiefe waren, einlenken, wenn es gebraucht wird. Dann regt sich keiner auf oder fragt danach.
Sie sagen ganz klar: Zwischenlager statt Endlager. Warum?
Deutschland braucht ein Lager für radioaktiven Müll. Wir sollten uns einen Zugang offen halten und es nicht für immer versiegeln. Das Standortgesetz sieht zum Glück eine Rückholbarkeit vor – und zwar 500 Jahre lang. Wenn man eine Lösung findet, radioaktive Abfälle zu nutzen, kann man sie jederzeit wieder hervorholen und damit etwas Vernünftiges machen. Es ist kein Endlager, sondern ein Zwischenlager.
Zum Schluss: Die Energiekrise ist eine schlimme Sache. Das Gute daran ist, dass die Erkenntnis wächst, die Kernenergie richtig zu nutzen. Wenn wir mit der Intelligenz von Ingenieuren und Fachkräften die Atomenergie zu nutzen wissen, brauchen wir uns um sorgen die Energieversorgungen keine Gedanken mehr machen.